Das Synagogenprojekt
Nach
mehr als 60 Jahren wird in Bamberg wieder über den Neubau einer Synagoge
gesprochen. Nach dem Krieg erbte die israelitische Kultusgemeinde von Frau
Leonie Kupfer das Haus und den Grund des Anwesens in der jetzigen
Willy-Lessing-Str. 7. Seither dient das Gebäude der Kultusgemeinde als Synagoge
und Gemeindezentrum. Bis 1990 waren die Räumlichkeiten mehr als ausreichend,
denn sie mussten für nur ca. 40 Personen genügen. Seit der
Öffnung
Osteuropas nahm die Anzahl der Übersiedler aus den Gebieten Russlands und der
ehemaligen Sowjetunion immens zu. Die Zahl der ehemals ca. 40 Gemeindemitglieder
hat sich seither mehr als verdoppelt und beträgt nun ca. 100 Personen, die
aktiv am Gemeindeleben teilhaben. Insgesamt, schätzt die
Kulturbeauftragte
der Kultusgemeinde, befinden sich in Bamberg jedoch ca. 560 Personen jüdischen
Glaubens (Stand: Frühjahr 1999). Nicht alle Personen pflegen einen aktiven
Kontakt mit der jüdischen Gemeinde, da sie meist noch mit profanen Problemen
der Arbeitssuche und Integration in die deutsche Gesellschaft beschäftigt sind.
Trotzdem ist das Potential an jüdischen Gemeindemitgliedern sehr groß und überfordert
die lokalen Möglichkeiten. Normalerweise findet der größte Teil des jüdisch-religiösen
Lebens zu Hause in der Familie statt. Als Beispiel seien nur der Sederabend zum
Pessachfest oder Kiddusch, der Segen über den Tag, mit dem der Familienvater zu
Hause den Sabbat empfängt[1],
genannt. Viele der neuen Gemeindemitglieder müssen jedoch erst wieder an die
Kultur und die Riten ihres Glaubens herangeführt werden. Zu diesem Zweck sowie
zur Integration und der Pflege des Gemeindelebens finden regelmäßig solche
Feiern bzw. Zusammenkünfte, wie Seder gemeinsam nach dem Gottesdienst, in einem
Raum neben dem Synagogenraum, statt. Nun verhält es sich so, dass nicht immer
alle Gläubigen gemeinsam Gottesdienst feiern können. Es hat sich eine interne
Absprache etabliert, wann wer zum Gottesdienst kommen darf, damit die Sitzplätze
reichen. Der Synagogenraum könnte über eine Falttüre zum oben genannten
Gemeindesaal hin erweitert werden, dann fiele jedoch der Raum für die Begegnung
nach dem Gottesdienst weg.
Die
letzten Jahre haben der Gemeinde gezeigt, dass es Sinn macht, sich nach weiteren
bzw. größeren Räumlichkeiten für den Gottesdienst umzusehen. An das
bestehende Gebäude schließt sich ein kleiner Hinterhof an, auf dem die Ruine
eines Fabrikgebäudes steht. Diese Ruine zu betreten ist wegen starker
Baufälligkeit nur unter Lebensgefahr möglich. Die Gemeinde plant nun diese
Industrieruine abzureißen und auf eigenem Grund ein neue Synagoge zu errichten.
Diesem Vorhaben stehen bislang zwei Hindernisse im Weg. Zum einen will der
Stadtrat die Ruine unter Denkmalschutz stellen, zum anderen fehlen der Gemeinde
die nötigen finanziellen Mittel. Normalerweise stehen einer Gemeinde für
solche Vorhaben Zuschüsse aus dem Fond des Zentralverbandes in München zu.
Ähnlich unserer Kirchensteuer führen die Gemeindemitglieder Beiträge an
diesen ab. Leider bleiben der Gemeinde diese Mittel weitgehend verwehrt.
Für den Bau einer neuen Synagoge wurde ein Spendenkonto eingerichtet, auf das
auch schon vereinzelt Beträge eingingen. So hatte der Pfarrer von Stegaurach,
einer kleinen Gemeinde nahe Bamberg, bereits die gesamte Pfingstmontagskollekte
´99 gespendet. Eine ähnliche, aber weitaus umfassendere Spende versprach der
Erzbischof Karl Braun. Es soll einen Tag geben, an dem alle Kollekten der
Gemeinde auf das Spendenkonto überwiesen werden. Diese beiden großzügigen
Geldspenden sind bemerkenswert, werden aber sicherlich nicht ausreichen. Mit der
Finanzierung einer neuen Synagoge könnten neue, verbindende und konstruktive
Zeichen gesetzt werden. Für die Nutzung und die Finanzierung des Neubaus gab es
bereits verschiedene Konzepte. Die Gemeinde ist bereit, nur einen Teil des
Neubaus zu belegen, einen weiteren Teil könnte die Stadt z.B. als Altenheim
ausbauen. Neben der optimalen Lage für die älteren Menschen zur Innenstadt und
gleichzeitig zu den Ufern des Rhein-Main-Donaukanals, die sich vorzüglich zum
Spazierengehen eignen, ist der Gedanken daran, dass sich eine Synagoge und die
Generation des Zweiten Weltkrieges in unmittelbarer Nachbarschaft wiederfinden,
sehr interessant. Um dieses Projekt durchzuführen, bedarf es sicherlich noch
vieler Mühen, gut organisierter Öffentlichkeitsarbeit und Unterstützung. Man
bedenke, dass die damalige jüdische Gemeinde jene vierte Synagoge
eigenfinanzierte, diese von Nationalsozialisten in Brand gesteckt wurde, von der
Bamberger Feuerwehr damals nicht gelöscht werden durfte und der Gemeinde letzten
Endes damals 30.000 Reichsmark für den Abriss berechnet wurden. Gemeinsam ein
neues jüdisches Gotteshaus zu errichten wäre eine Chance, die Gemeinde zu
unterstützen, nach über sechzig Jahren an eine fast tausendjährige Kultur
jüdischen Lebens in Bamberg anzuknüpfen und vielen Bambergern ein Bewusstsein
dafür zu vermitteln, was lange Zeit in Bamberg als normal galt: jüdische
Mitbürger.
Von Wiederentdeckungen und Renovierungen alter Synagogen hört man gerade in der letzten Zeit sehr viel. Erst vor wenigen Monaten, am 15. Juni. 1999, wurde das Jüdische Museum und Kommunikationszentrum in Fürth eröffnet. Für den am Judentum Interessierten sind die Synagogen und Wohnstätten von Schnaittach, Ermreuth und Tüchersfeld wohl bekannte Adressen. Aber was sind diese Museen im Vergleich zu einer leibhaftig-lebendigen, echten, jüdischen Gemeinde? In Bamberg besteht die Chance, eine bereits bestehende Gemeinde zu unterstützen. Es muss nicht erst künstlich eine Atmosphäre jüdischen Lebens geschaffen werden, die letzten Endes, ohne deren Wert schmälern zu wollen, doch nur ein Werk von Museumspädagogen und Historikern darstellt.
mehr zum Synagogenneubau bzw. zum geplanten Gemeindezentrum
[1] Baumann (1993) S. 82
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