Groß- und Einzelhandel – die Warenhäuser Hertie und Honer

Im Zentrum Bambergs bestehen heute noch die Warenhäuser Hertie und Honer. Ersteres firmierte vor dem Zweiten Weltkrieg als Warenhaus  H & C Tietz und das Kaufhaus Honer gehörte ursprünglich der Rekord-Verkaufsgesellschaft an. Beide Warenhäuser zählten in dieser Zeit zu den größten ihrer Branche in Deutschland. Das jüdische Warenhaus Tietz war damals Teil einer Warenhauskette, die von der Familie Tietz gegründet wurde. Oskar Tietz aus Birnbaum an der Warte eröffnete zusammen mit seinem Onkel Hermann Tietz 1882 ein Kurzwarengeschäft in Gera, welches unter dem Namen Hermann Tietz firmierte[1].

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Der damals 24-jährige Oskar Tietz entwickelte neue Ideen und Konzepte für den Einzelhandel. Er wollte einen größeren Umsatz mit kleineren Gewinnen bei festen Preisen und Barzahlung ermöglichen. Von ausschlaggebender Priorität war zudem die gute Qualität seiner Ware, die er ausschließlich zu sichern vor hatte. Um bei kleinen Gewinnen rentable Umsätze zu erwirtschaften, musste er niedrige Preise bei den Lieferanten erzielen. Dies bewerkstelligte Oskar Tietze in dem er über Filialen den Umsatz steigerte und somit große Mengen von seinen Lieferanten zu günstigeren Preisen abnehmen konnte. Von seinen Brüdern ließ Oskar Filialen und Anschlussgeschäfte in Nürnberg und in Prenzlau gründen. Das Stammhaus eröffnete Oskar Tietz 1889 in München. Die moderne Einkaufsorganisation, alle Hauptartikel wurden gemeinsam gekauft, zahlte sich aus. Die Familienmitglieder trafen sich jährlich in München. 1928 waren dem Stammhaus in München 17 Filialen angeschlossen, von denen sich 11 in Berlin und davon neun in palastähnlichen Gebäuden befanden. Dies trifft auch auf das Gebäude in Bamberg zu.

 

1886 zogen Markus Tietz und seine Ehefrau Julie, geborene Baumann, von Prenzlau nach Bamberg und gründete das Bamberger Anschlussgeschäft in der Hauptwachstraße 14. Ab 1887 erscheint er als Alleinbesitzer. Im Laufe der Zeit wurden in Schweinfurt, Erfurt, Chemnitz und Gera Filialen der Bamberger Niederlassung von H. & C. Tietz gegründet, die alle unter dem gleichen Namen in Erscheinung traten. Das "C" im Firmennamen weist wahrscheinlich auf den Bruder Hermann Tietzes, Chaskel Tietz, hin. Im Bamberger Warenhaus wurden damals vor allem Garne, Knöpfe, Posamentier-, Weiß- und Wollwaren angeboten. Demnach entsprach es noch keinem typischen Warenhaus, aber die Geschäfte schienen gut zu gehen. Im Jahr 1892 wurde eine Filiale in der Dominikanerstraße 5 eröffnet. Zwei Jahre später konnte das Anwesen Grüner Markt 18 erworben werden, wohin das damalige Warenhaus aus der Hauptwachstraße umzog. Nach dem Tod von Markus Tietz leitete seine Frau Julie das Geschäft bis 1905 alleine weiter, dann übergab sie die Geschäftsleitung an ihren zweiten Schwiegersohn Gustav Gerst ab. Julie Tietz betätigte sich auch weiterhin im Warenhaus ihres verstorbenen Mannes, sie konzentrierte sich nun auf die sozialen Belange der Belegschaft. Sie schuf Einrichtungen, die für ihre Zeit Vorbildcharakter hatten. Zu diesen Errungenschaften zählten eine Pensionskasse, Zuschüsse zur staatlichen Angestellten-Versicherung und später ein Erfrischungsraum und ein Erholungsplatz für die Beschäftigten auf dem Dach des Gebäudes. Nach ihrem Tod im August 1930 würdigte ein Nachruf im Bamberger Tagblatt sie als Frau mit achtbaren Eigenschaften, von eisernem Fleiß, persönlicher Einfachheit, und rastloser Tätigkeit. Die Stellung des Großunternehmens manifestierte sich mit dem Umzug des Warenhauses 1910 in den imposanten Neubau am Gründen Markt 21 – 25. Dieser Prachtbau wurde vom selben Architekten erbaut, der auch für den Bau der neuen Bamberger Synagoge wie auch der Ressource verantwortlich war. Der Name dieses Jugendstilarchitekten war Johannes Kronfuss. Nachdem 1926 weitere Gebäude an der Westseite des Maxplatzes und der östlichen Seite der Fleischstraße erstanden werden konnten, erweiterte sich der neue Verkaufsraum im Erdgeschoss auf 8000 und die Räume für Verwaltung, Lager und Expedition im ersten Stock des Gebäudes auf 6000 Quadratmeter. Die Eröffnung der Erweiterung fand 1930 statt. Auf Gustav Gerst folgte 1919 Siegfried Simon in die Stellung des leitenden Direktors. Nachdem die Besitzer des  Stammhauses Tietz in München bereits 1934 aus der Verwaltung gedrängt wurden und das Unternehmen treuhändlerisch verwaltet und geführt wurde, schlossen die Nazis 1938 auf Druck des Bamberger Einzelhandels auch die Niederlassungen der Bamberger Anschlussgruppe.

Das riesige Warenhaus Tietz war dem Bamberger Einzelhandel von je her ein Dorn im Auge. In einem Schreiben des IHG-Vorsitzenden Dr. Sturm und des IHG-Geschäftsführers Friedrich Kuhn vom Dezember 1938 wird das Kaufhaus als "in die Stadt hineingestelltes Monstrum, das auf keinen Fall arisiert werden dürfe" bezeichnet[2]. Eine Arisierung scheiterte dann auch aufgrund des vom Einzelhandel organisierten Widerstandes. Im Jahr 1939 wurde der "Warenhausmoloch", wie das Kaufhaus von der NS-Zeitung "Flamme" bezeichnet wurde, endgültig liquidiert. 1938 beschäftigte H. & C. Tietz etwa 500 Mitarbeiter. Gustav Gerst und seine Ehefrau Ella, geborene Tietz, konnten 1937 über Schweden in die USA fliehen. Die Gebäude des Kaufhaus Tietz blieben im Krieg erhalten. Nach einem Rückerstattungsverfahren wechselte das Kaufhaus rechtmäßig seine Besitzer und startete 1951 erneut seinen Betrieb. Der Name des Unternehmens lautete nun "Hertie", womit auf den Gründer der Kaufhauskette Hermann Tietz hingewiesen wird. Damals wie heute bot das Warenhaus nicht nur vielen Bambergern ein sicheres Einkommen und Arbeit, sondern stellt zudem einen wichtigen Faktor im Bamberger Wirtschaftsleben dar.

Das Warenhaus Rekord ereilte ein ähnliches Schicksal wie dem Kaufhaus H. & C. Tietz. Es wurde am 23. Oktober 1931 von jüdischen Geschäftsmann Friedrich Silbermann nach dem Modell der amerikanischen Woolworth-Kaufhäuser als Einheitspreisgeschäft mitgegründet. Nach geschäftlichen Schwierigkeiten war die Geschäftsleitung gezwungen einen großen Teil der Geschäftsanteile an Margaret Hohner aus Mühlhausen und ihren Ehemann, den späteren Geschäftsführer, zu veräußern. 1933 drängten die Nazis Friedrich Silbermann die Mehrheit der Geschäftsanteile der Familie Hohner abzutreten. Ihm verblieben lediglich 10 % seiner Anteile, welche er 1937 gar aufgeben musste. Silbermann und seine Ehefrau überlebten den Holocaust nicht. Sie wurden beide in den Osten verschleppt und dort ermordet.

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[1] Loebl (1999) S. 235 ff.

[2] Fichtl u.a. (1998) S. 377