Die Elektroindustrie

Neue Firmengebäude im IndustriegebietIm Bamberger Industriegebiet "Hafen" nahe der modernen Müllverbrennungsanlage erhebt sich an der Bundesstraße 26 ein kleiner Turm mit dem Firmenschild RZB-Leuchten. Bei den angrenzenden neuen Gebäuden handelt es sich um eines der bedeutendsten Industrieunternehmen Bambergs. Dass die Firma Rudolph Zimmermann ihre Wurzeln in der jüdischen "Fabrik von elektrischem Installationsmaterial und Leuchten S. Kalischak"[1] hat, die einst hinter dem Anwesen Friedrichstraße 7 angesiedelt war, ist den meisten Bambergern sicherlich unbekannt. Salusch Kalischak, der seit etwa 1901 in Bamberg lebte, besaß vormals einen Kurzwarenhandel. Als Anlass für die Firmengründung der Fabrik werden zwei Motive genannt. Zum einen scheint der Umstand, dass die Bamberger Metall- und Lederwarenfabrik von Gabriel Mannheim, einem Schwager von Salusch Kalischak, als Zulieferer dienen sollte. Wie dieser Umstand in Zusammenhang mit der Gründung der Fabrik von elektrischem Installationsmaterial und Leuchten stehen soll ist in der Literatur leider nicht   erwähnt. Die Metall- und Lederwarenfabrik von Gabriel Mannheim stellte neben Koffern, Markttaschen und anderen Lederprodukten auch Metallteile für Elektroverbindungen her. So kann man davon ausgehen, dass die Lederwarenfabrik die Zulieferung nicht übernahm, S. Kalischak die Gelegenheit ergriff und bei diesem Geschäft mit einstieg. Als ein weiterer Faktor für die Firmengründung werden die damaligen Standortanstrengungen der Stadt Bamberg genannt. 1910 wurde die Fabrik gegründet und 1929 umfasste die Belegschaft 60 Mitarbeiter. 22 Jahre nach der Firmengründung starb Salusch Kalischak woraufhin sein Sohn Richard und dessen Familie als Alleinerben eingesetzt wurden und die Firmenleitung übernahmen. Wie vielen anderen Bamberger Firmen so ereilte das Schicksal eines von Nazis erzwungenen Verkaufes auch diesen Betrieb. Das Unternehmen wurde von Rudolph Zimmermann erworben und "arisiert". Die neuen Besitzer erweiterten zwar das Sortiment, behielten jedoch das Fabrikationsprogramm von S. Kalischak auch nach dem Krieg weitestgehend bei. Richard Kalischak konnte nach dem Krieg mit seiner Frau über Shanghai in die USA auswandern und überlebte diesen. Nach einem Wiedergutmachungsverfahren wurde Richard Kalischak Kommanditist seiner ehemaligen Fabrik, kehrte aber nicht mehr nach Deutschland zurück.

Ein weiterer bedeutender Elektrogroßhandel (später auch als Fabrik von elektrischem Installationsmaterial und Leuchten) wurde 1911 bzw. 1924 von Hugo Löbl und seinen Söhnen gegründet. 1916 kaufte Hugo Löbl das Anwesen Luitpoldstraße 27 und eröffnete im Hinterhof einen Elektro-Großhandel. Am selben Ort wurde 1923 ein Fabrikneubau errichtet und mit der Herstellung von elektrischem Installationsmaterial begonnen. Die Geschäfte schienen gut zu laufen, so dass die Söhne Hugo Löbls, Fritz, Sali und Robert, 1924 eine selbständige Fabrikationsfirma namens "Hugo Löbl Söhne" gründeten. In der Firma wurde erstmals Bakelit für Installationsmaterial, vor allem bei Feuchtrauminstallationen, verwendet. Das dafür eingetragene Warenzeichen wurde mit den Namen "Hulorit" betitelt. Der Umsatz, der vorwiegend im Export erzielt wurde, stieg derart, dass 1928 ein neuer moderner Fabrikbau in der Lichtenhaider Straße 9 bezogen werden musste. Die Erweiterung dieses Neubaus noch 1937 in den Bereichen der Lager- und Versandhalle ist auf die anhaltend guten Exportabsätze zurückzuführen. Mit dem Machtantritt der Nationalsozialisten begann das Ende der Firma Hugo Löbl Söhne. Zuerst wurde noch unter der Firmenleitung der Löbls das Führerprinzip in der Firma eingeführt, ab 1935 waren bereits Betriebs - >>Führer<< und Betriebsbeamte der Nazi-Reichsarbeitsfront im Werk anwesend. 1938 erfolgte dann ebenfalls der von den Nazis erzwungene Verkauf. Hugo Löbl Söhne beschäftigte zu dieser Zeit 220 Mitarbeiter, die mit der gesamten Firma an Linder & Co., Jecha-Sondershausen übergingen. Die Witwe Hugo Löbls, ihr Sohn Leo sowie dessen Ehefrau Gisela, geborene Platz, wurden von den Nazis in den Osten verschleppt und dort ermordet. Fritz Löbl, dessen Ehefrau Elsa und die beiden Söhne Rudolf und Günter entkamen nach England, ihr ältester Sohn Willy in die USA. Auch die Familie Robert Löbls konnte nach England entkommen. Die beiden Brüder Fritz und Robert Löbl gründeten in England eine neue Firma. Sali Löbl, der bereits 1935 bei Hugo Löbl Söhne ausgestiegen war und den Elektro-Großhandel übernommen hatte, konnte im letzten Moment mit seiner Familie nach Ecuador fliehen. Er starb 1944. Im Rahmen eines Wiedergutmachungsverfahrens erhielt Fritz Löbl und die Erbin des 1949 verstorbenen Robert Löbl eine Nachzahlung des zu niedrig angesetzten Verkaufpreises der Fa. Hugo Löbl Söhne. Die Erben Sali Löbls erhielten keine Wiedergutmachungszahlungen vom Käufer der Elektrogroßhandlung. Sie erhielten jedoch eine Pauschalsumme von der "Jewish Restitution Successor Organisation". Aufgrund seiner Einzigartigkeit stellt dieses Verfahren für Bamberger Verhältnisse eine Besonderheit dar. Die Firma Linder & Co. zählt in Bamberg und Umgebung heute immer noch mit zu den wichtigsten Arbeitgebern.

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[1] Loebl (1999) S. 270