Fränkischer Tag Bamberg, vom 18.6.2001

Mit letztem Schiff vor den Nazis geflohen

Gebürtiger Demmelsdorfer kommt zur Barmitzwa des Enkels aus Chicago nach Bamberg

"Hierher zurückzukommen, ist für mich auch ein symbolischer Akt", sagt der 80-jährige Jude Jack Heiman, der gebürtiger Demmelsdorfer ist. 1939 ist er mit seiner Mutter aus der oberfränkischen Heimat nach Amerika geflohen. Sein Enkel feierte am Samstag mit der Israelitischen Kultusgemeinde in Bamberg seine Barmitzwa.

Man merkt Jack Heiman sein Alter nicht an. Der gebürtige Oberfranke, der seit Jahrzehnten einen amerikanischen Pass besitzt, weiß die Daten seiner Lebensgeschichte auswendig _ und zwar nicht nur auf das Jahr, sondern den Monat genau. Bei einem derart bewegten Leben ist das nicht selbstverständlich.

Als Jack Heiman noch Jakob Heimann hieß und in Fürth auf die jüdische Realschule ging, wohnte er bei den Eltern des späteren amerikanischen Außenministers Henry Kissinger. "1936 bin ich dann nach Aalen gegangen, um Schuhmacher zu lernen", sagt Heiman. Er erzählt in einem Deutsch, das trotz des amerikanischen Akzents und des immer noch vorhandenen fränkischen Dialekts gut verständlich ist. Nur manchmal scheinen Heiman die Worte zu fehlen, besonders wenn er seine Erlebnisse während des Nationalsozialismus schildert. Bis zur Reichskristallnacht - in der auch die Synagoge in Demmelsdorf geplündert wurde - "haben wir noch geglaubt, dass das vorbeigeht." Kein einziges Mal verwendet er Begriffe wie Judenverfolgung oder Konzentrationslager. Er zeigt alte Schwarz- Weiß-Fotos von Onkeln, Tanten und deren Kindern und sagt nur: "Die sind umgekommen." Dass der Tod von Juden durch Krankheit oder Unfall in diesen Jahren die Ausnahme war, ist aus Heimans Formulierungen abzulesen. Als er vom Tod seines Vaters 1934 spricht, fügt er ausdrücklich hinzu: "Auf natürlichem Weg."

Im April 1939 floh Heimann mit seiner Mutter zuerst nach England und dann im März 1940 mit dem letzten Schiff von Liverpool nach Amerika. "Auf dem Rückweg nach England ist dieses Schiff von den Deutschen versenkt worden."

Nachdem er in der amerikanischen Armee gegen die Japaner gekämpft hatte, baute sich Jack Heiman nach dem Krieg ein neues Leben in Chicago auf. Der so oft beschworene amerikanische Traum wurde in seinem Fall Wirklichkeit. Was als Verkauf von Lederwaren in einer Garage begonnen hatte, war 1971 eine Spielzeugfabrik mit über 100 Mitarbeitern. Jack Heiman lässt auch keinen Zweifel daran, dass er heute die USA und nicht Oberfranken als seine Heimat betrachtet. "Amerika hat mir das Leben gerettet und mir finanzielle Sicherheit gebracht."

Die Barmitzwa des Enkels hier mit der ganzen Familie in Bamberg und nicht in Chicago zu feiern, sei bei vielen amerikanischen Freunden auf Unverständnis gestoßen. "Ich möchte aber, dass meine Kinder und Enkel sehen, wo ich meine Kindheit verbracht habe." Gemeinsam habe man beispielsweise den jüdischen Friedhof in Zeckendorf besucht.

Seine Rückkehr hat für ihn auch symbolische Bedeutung. Sie ist eine Antwort auf "Hitler, der versucht hat, uns auszurotten und ich mußte vor ihm fliehen. Heute ist er weg und ich bin zurückgekommen. Und zwar nicht allein, sondern mit 12 Kindern und Enkeln. Nicht er hat gesiegt, sondern wir."


Mirjam Gollmitzer

 

 

Diese Seite wurde zuletzt bearbeitet am
25. Juni 2001


Diese Seite ist Bestandteil eines Frames. Sollten Sie diesen nicht angezeigt bekommen dann klicken Sie hier bitte auf
Index
dann erhalten sie die fehlenden Informationen und Steuerungselemente
© by Thomas Starz