Quelle: Fränkischer Tag Bamberg, vom 24.4.2001

Opfer suchten nach Vergeltung

"Jüdische Rache an NS-Tätern" vom ehemaligen Stadtrat Peter Zinke

FORCHHEIM. Mit ihrem Buch über jüdische Rächer an NS-Tätern haben sich die beiden Autoren Jim G. Tobias und Peter Zinke auf sehr dünnes Eis begeben. Denn wie auch immer man an dieses Thema herangeht, hat man von einer Seite Beifall, von der anderen Verdammung zu erwarten.

Ergreift man die Partei der Rächer, muss man sich Menschen gegenüber rechtfertigen, die jede Form von Blutrache ablehnen. Schlägt man sich jedoch auf deren Seite, würde man den geballten Unmut der "politisch Korrekten" im Lande zu spüren bekommen.

 

Sympathie für
die Rächer

Der einzige Ausweg wäre also, das Thema mit einem Höchstmaß an kritischer Distanz zu behandeln. Doch dazu konnten sich Jim G. Tobias und Peter Zinke nicht durchringen: Ihre Sympathie gehört spürbar den Rächern.

Peter Zinke, der ehemalige Forchheimer Stadtrat, und der Journalist Jim G. Tobias, der im Landkreis Forchheim durch das Kulturprogramm in der Ermreuther Synagoge ein Begriff ist, nahmen einen Vorfall vom 13. April 1946 zum Anlass, der noch 1996 die Nürnberger Justiz beschäftigte.

Eine Gruppe von Holocaust- Überlebenden, die sich zu einer Organisation namens Nakam (hebräisch "Rache") zusammengeschlossen hatten, planten die Massenermordung von SS- und Gestapo- Angehörigen, die im US-Internierungslager in Nürnberg- Langwasser einsaßen. Zu diesem Zweck schmuggelten sie sich als Arbeitskräfte in die Großbäckerei ein, die das Lager mit Brot belieferte, und präparierten die Brote mit Arsenik.

Der Coup gelang nur teilweise. Im Lager brach eine Massenkrankheit, aber kein Massensterben aus, weil sich unter den Rächern ein "Maulwurf" der Hagana (eine Art jüdischer Nachrichtendienst) befand. Er verdünnte die Giftkonzentration, weil sich die jüdische Politik angesichts der gewünschten Gründung eines Staates Israel nicht mit den Alliierten anlegen wollte.

Nach einer Fernsehdokumentation 1996, in der sich zwei einstige Nakam-Aktivisten zur Nürnberger Brotvergiftung äußerten, leitete die Nürnberger Staatsanwaltschaft ein Ermittlungsverfahren ein. Es gab heftige Kritik vor allem aus den linken deutschen Parteienspektrum, und die Nürnberger Ermittlungsbehörden fanden schließlich einen eleganten Weg, um sich des unbequemen Verfahrens zu entledigen: Am 8. Mai 2000, dem 55. Jahrestag des Kriegsendes, stellten sie das Verfahren mit der Begründung ein, die Taten seien "wegen außergewöhnlicher Umstände" verjährt.

 

Beifall von der falschen
Seite befürchtet

Das Autorenteam Zinke/ Tobias, das für sein Buch umfangreiche Forschungsarbeiten auch in Israel selbst durchführte, drückt in seinem Vorwort die Befürchtung aus, die Beschäftigung mit diesen Vorgängen können Antisemiten Argumentationshilfen bieten. Doch das ist eigentlich nicht das Problem:

Der Beifall von der falschen Seite käme im Zweifelsfall nicht durch die Thematisierung jüdischer Rache, sondern durch die erkennbare Parteinahme der Autoren. Wenn Menschen, die Selbstjustiz üben, die - wie in späteren Kapiteln dargestellt - regelrechte Fememorde begehen, geradezu heroisiert werden, ist das mit dem heutigen Rechtsverständnis einfach nicht vereinbar. Da hilft es auch wenig, verständnisheischend auf die besonderen Befindlichkeiten der dem Holocaust Entronnenen hinzuweisen.

Vollends verfehlt sind die "Nachweise" eines Versagens der deutschen Justiz bei der Verfolgung von Nazi-Verbrechen: Ein rechtsstaatliches Verfahren, wie es selbst Eichmann 1961 in Israel bekam, ist eben nicht das gleiche, wie wenn man einen vermeintlichen Täter mit einem Stein um den Hals lebendig in einem See versenkt.

Nicht ins Bewusstsein aufgenommen scheinen die Autoren auch zu haben, dass es ein völkerrechtliches Verbot von "Kollektivschuld" gibt. Sprüche wie "Ein guter Deutscher soll eines leichten Todes sterben" (d.h. müssen sie alle) werden unkommentiert weitergegeben, die Racheaktionen werden durchgehend als gerechte Vergeltung beurteilt oder zumindest verständnisvoll begleitet.

Und genau das ist die Schwachstelle des ansonsten sehr gut recherchierten Buches. Bei aller Sympathie für Menschen, die mit knapper Not Auschwitz oder Treblinka entronnen sind - Rache als Rechtsersatz nach dem Schema "Ein Mann sieht Rot" wirkt eher abstoßend als einnehmend, unabhängig davon, welche persönlichen Erfahrungen Motiv für derartiges Tun war.
Gernot Wildt

Jim. G. Tobias/Peter Zinke: Nakam - Jüdische Rache an NS-Tätern. Konkret Literatur Verlag, Hamburg 2000. 173 Seiten, ISBN 3-89458-194-8, 30 DM.

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Diese Seite wurde zuletzt bearbeitet am
25. April 2001


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