Quelle: Fränkischer Tag Bamberg, vom 9.3.2001

Für Außenstehende verwirrend

Der Streit um das Jüdische Museum Franken - „Geschichte ästhetisch entsorgt"

Die Atmosphäre ist eisig: Der seit Monaten schwelende Streit um die Führung des Jüdischen Museums Franken in Fürth und seinen Umgang mit dem Holocaust hat zwischen Museums-Chef Bernhard Purin und den Israelitischen Kultusgemeinden Nürnberg und Fürth tiefe Gräben gerissen.

von Klaus Tscharnke

Im Kreuzfeuer: Bernhard Purin, Leiter des Jüdischen Museums Franken.

Foto: Claus Felix

 

Jetzt droht die bislang eher verdeckt geführte Auseinandersetzung zu eskalieren. Führende Vertreter der Gemeinden wollen den Rücktritt des umstrittenen Museums-Chef fordern, kündigte der Vorsitzende der Jüdischen Gemeinde Fürth, Haim Rubinsztein, an. Unter deutschen Museums-Experten stellt sich derweil die Frage: Wie viel Einfluss darf eine jüdische Gemeinde auf ein Museum nehmen?

Immerhin fahren die jüdischen Gemeinden schwere Geschütze auf. So kritisiert Rubinsztein die gefühllose, rein wissenschaftliche Herangehensweise des Museums-Chefs. „Purin geht mit dem Judentum wie ein Mathematiker um, der mit Zahlen spielt." Kultgegenstände würden aus dem Zusammenhang gerissen und in Vitrinen seelenlos „säkularisiert". Dabei sei das Judentum doch keine tote Religion. „Sie lebt mitten unter uns", betont der Fürther Gemeinde-Vorsitzende. Die Kritik an Purin gipfelt schließlich in dem Vorwurf der „Respektlosigkeit" gegenüber der jüdischen Religion.

In dem für Außenstehende verwirrenden Konflikt hat sich die Auseinandersetzung inzwischen auf eine Frage zugespitzt: Den weitgehenden Verzicht des Museums auf Hinweise zum Holocaust. Während Vertreter der Kultusgemeinde darin einen der größten Mängel des Museums sehen, verweist der Museums-Chef auf neuere museumspädagogische Ansätze.

Nicht ausschließlich , als Opfer sehen

In der „Erinnerungsarbeit" gehe man immer mehr dazu über, „Juden nicht ausschließlich als Opfer zu sehen". Die Erinnerung an den Holocaust sollte vorrangig an den „authentischen Orten" wach gehalten werden. „Aufgabe eines jüdischen Museums ist vor allem, über jüdisches Lebens zu berichten", betont Purin.

Mit den klassischen Betroffenheits-Ansätzen bei der Aufarbeitung der Massenvernichtung von Juden hat Purin seine Probleme: „Weinen bildet nicht", zitiert Purin den Leiter einer KZ-Gedenkstätte. Betroffenheit sei „der Abschluss einer Auseinandersetzung". Mit Bildern aus Massenvernichtungslagern würden Gefühle angesprochen, „die nicht mehr zu Fragen anregen."

Für Rubinsztein hat sich der Wissenschaftler damit als Museums-Chef disqualifiziert. Der Vorsitzende der Jüdischen Gemeinde Nürnberg, Arno Hamburger, der sich lang um eine Vermittlung bemüht hatte, kommt nun ebenfalls zum Schluss: „Purin lässt damit jedes Gefühl für das Judentum vermissen."

Erste Schatten schon zur Eröffnung

Schon die Eröffnungs-Feier des Museums im Sommer 1999 hatte erste Schatten auf das Verhältnis zwischen Kultusgemeinde und den Museumsmachern geworfen. Der Judaist Purin hatte ausgerechnet in der jüdischen Trauerwoche Tischa Beav zur Eröffnung des neuen Hauses geladen. Selbst wohlmeinende Juden empfanden die Terminwahl als wenig sensibel. Purin selbst verweist heute auf Sitzungsprotokolle, aus denen klar hervorgehe, dass der Termin mit der israelitischen Kultusgemeinde abgestimmt war. Rubinsztein selbst habe zur Eröffnung sogar eine Musikkapelle bestellen wollen, obwohl in der Trauerwoche Juden Musikveranstaltungen verboten seien, rechtfertigt sich Purin. Rubinsztein streitet das ab.

Außerhalb der jüdischen Gemeinden sind die Meinungen gespalten: Vor allem der Fürther Heimatpflegerin Barbara Ohm stößt es sauer auf, dass das Museum die Vertreibung und Vernichtung der 900 Juden in der Nazi-Zeit ausblendet. Das Judentum sei „wie etwas Exotisches" und viel zu glatt dargestellt. Ohm: „Hier wird die Geschichte der Juden ästhetisch entsorgt."

Andere engagierte Fürther halten Purin für einen „Glücksfall" für Fürth und das Museum. In anderen jüdischen Museen in Deutschland sorgt der Streit für ungläubiges Staunen. Vertreter aus Frankfurt und Berlin betonen Purins hohes internationales Ansehen. Zugleich verweisen sie auf die wissenschaftliche Unabhängigkeit, die einem jüdischen Museum gegenüber den örtlichen Kultusgemeinden zugestanden werden müsse.

 

Diese Seite wurde zuletzt bearbeitet am
31. März 2001


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