Quelle: Fränkischer Tag Bamberg, vom 13.2.2001

Steinerne Zeitzeugen - Menschliche Schicksale hinter historischen Mauern (11)

Vom Philosophen bis zum Mordgesellen

Mancher Bewohner des „Hauses zum Krebs" bleibt auch nach Jahrhunderten unvergesslich

Man drängte sie, ihren Glauben aufzugeben und zwang sie zur Taufe. Man verleumdete sie, diskriminierte sie und trachtete ihnen nach dem Leben. Schon Jahrhunderte bevor die Nationalsozialisten den Begriff „Holocaust" prägten, wurden Juden verfolgt. Auch in Bamberg erinnern bis heute Straßennamen und historische Bauwerke an solche Momente im jüdischen Leben der Stadt. Nehmen wir das „Haus zum Krebs" am Pfahlplätzchen, das die meisten eher mit Georg Wilhelm Friedrich Hegel in Verbindung bringen!

Erste jüdische Einwanderer tauchen in der Stadthistorie bereits zur Zeit der Gründung des Fürstbistums auf. Indes ist von einer jüdischen Gemeinde, zu der viele Gelehrte und reiche Kaufleute zählten, erst im ausgehenden 12. Jahrhundert die Rede. Zunehmend dehnte sich ein Ghetto aus, das sich zuletzt von der Judenstraße bis zur Lugbank erstreckte. Es schloss das Anwesen Pfahlplätzchen l mit ein, das Chroniken zufolge schon im 13. Jahrhundert als „Judentanzhaus" erwähnt ist.

Das beliebte Tanzlokal hielt sich bis zur großen Judenverfolgung im Jahr 1349. Der schwarze Tod verwüstete zu dieser Zeit das Land. Tausende und Abertausende Menschen starben. Wieder einmal stempelte man das jüdische Volk zum Sündenbock, das angeblich Quellen und Flüsse vergiftete. So mussten Juden bald auch in der Domstadt um ihr Leben fürchten. Man trieb die Menschen aus ihren Häusern, verbrannte all ihr Hab und Gut. Schließlich hatte die aufgebrachte Menge ihr Ziel erreicht: das jüdische Viertel gab es nicht mehr, ebenso die Synagoge, auf deren Grund und Boden die Marienkapelle entstand.

Wie viele andere Anwesen ging das Judentanzhaus in den Besitz des Hochstifts über. Ein Umstand, der mancher Bamberger Familie zugute kam. So überließ die Kirche in den kommenden Jahren verdienten Staatsdienern das Haus, darunter Meister Conrad Megenwart. Mit „lebenslangem Nießbrauch" dankte Fürstbischof Friedrich von Aufseß seinem Hof- und Leibarzt („lerer in den kunsteri der ertzney") für treue Dienste.

Noch oft sollte das Ensemble in den kommenden Jahren den Besitzer wechseln, ebenso wie seinen Namen. Denn vom „Judentanzhaus" war bald nicht mehr die Rede. Stattdessen sprach man vom „Haus zum Rebstock", was auf eine Gastwirtschaft schließen lässt, und schließlich dem „Haus zum Krebs".

1604 zog der erste „Büttner zum Krebs" ans Pfahlplätzchen: Hans Graser. Mehrere Generationen von Büttnern und Brauern folgen. Selbst nach der Zerstörung und dem Wiederaufbau des Gebäudes nach dem Dreißigjährigen Krieg setzte man im ehemaligen Tanzhaus der Juden noch Bier an, um es an Gäste auszuschenken.

Heute sind die „Büttner zum Krebs" längst in Vergessenheit geraten, während man von anderen Hausbewohnern noch immer spricht. Beispielsweise einem bekannten Bildhauer des 16. Jahrhunderts: Kilian Sorg, der das Grabdenkmal von Fürstbischof Georg Fuchs von Rügheim im Dom schuf. Oder Magister Martin Hofmann, Dichter, Chronist und Verfasser des 1595 erschienenen Büchleins "Die Stadt Bamberg und die Abte des Mönchsberges in elegischem Versmaß".

Redakteur bei der „Bamberger Zeitung"

Literaturgeschichte schrieb ebenso der berühmte Philosoph Georg Wilhelm Friedrich Hegel im „Haus zum Krebs", als er zwei Jahrhunderte später seine „Phänomenologie des Geistes" verfasste. Im März 1807 war er in die Domstadt gekommen, um bei der „Bamberger Zeitung" zu arbeiten, deren Geschäftsräume sich in dem Gebäude über einer Weinstube befanden. „Es war ja seltsam genug: Unten trank der Bamberger Bürger Wein, oben saß der sein Brot als Redakteur widerwillig verdienende Philosoph und schrieb die letzten Kapitel seiner ,Phänomenologie'", bemerkt der Historiker Konrad Ameth in einem Aufsatz.

Soweit unser Blick in die Vergangenheit des „Hauses zum Krebs", das sich heute im Besitz von Ottilie Jakob befindet. Mit ihrem Mann Adam, einem Architekten, hatte sie das Anwesen 1963 erworben, um es von Grund auf zu renovieren. „Wir verliebten uns in das Haus, selbst wenn sein Zustand damals zu wünschen übrig ließ."

 

Schuss aus dem Fenster

Ein romantisches Ambiente, wie man es sich schöner kaum denken kann. Wer würde auf den Gedanken kommen, dass sich vor dem Haus 1782 ein brutaler Mord ereignete? Der damalige Eigentümer, Adolph Franz Kämmerer von Worms, Freiherr von Dalberg, ließ den „Scribenten Pfeffer" vom Fenster aus von einem Diener erschießen. Mehrere Flintenschüsse und eine Pistolenkugel trafen den jungen Mann, „der ihm zudringlich geworden war", wie Anton Schuster in den Bänden „Alt Bamberg" berichtet. Er starb, während von Dalberg den Rest seines Lebens in Klosterhaft zubrachte. Die Spuren seiner Bluttat blieben noch lange Jahre sichtbar: als Flintenkugeln, die im Haustor steckten.

 

 

 

 

 

Diese Seite wurde zuletzt bearbeitet am
31. März 2001


Diese Seite ist bestandteil eines Frames. Sollten Sie diesen nicht angezeigt bekommen dann klicken Sie hier bitte auf
Index
dann erhalten sie die fehlenden Informationen und Steuerungselemente
© by Thomas Starz