Quelle: Nordbayerischer Kurier Bayreuth, vom 6.12.2001
Leben - Überleben - Weiterleben
Gedenkfeier der Evangelischen Jugend: Wunden verheilen nur langsam
Von Tanja Gräßel
„Dürfen wir vergessen - dürfen wir verdrängen - dürfen wir jemals davon schweigen?" Mit diesen Worten eröffnete Dekanatsjugendreferentin Kerstin Wolf die Veranstaltung anlässlich der letztjährigen Gedenksteinsetzung in Erinnerung an die Außenstelle des Konzentrationslagers (KZ) Flossenbürg auf dem Gelände der ehemaligen Spinnerei.
Seit mehr als 50 Jahren sind die KZs
geschlossen, nationalsozialistische Strömungen und Diskriminierung
verboten. Doch bei den ehemaligen Häftlingen sitzen die schrecklichen
Erinnerungen tief. Auch in Bayreuth gab es ein
KZ, ein Außenlager Flossenbürgs. Mehrere zehntausend Häftlinge
durchliefen dieses Lager. Zuvor hatten sie ein ganz normales Leben
geführt, mit Familie und Freunden. Einmal in einem Lager angekommen,
konnte man nicht mehr von Leben sprechen. Die
menschenunwürdige Behandlung nahm vielen den Lebensmut. Wer die Zeit im
Lager überlebte, hatte es nicht leicht weiterzuleben. Die seelischen
Wunden vernarben nicht leicht. Erinnerungen an Angst, Kälte, Hunger und
Entmenschlichung holen immer wieder ein.
Mut zum Überleben Häftlinge im Außenlager Bayreuth waren beispielsweise Nummer 507, reichsdeutscher Schutzhäftling Karl Feuler, Nummer 40 441, tschechischer politischer Häftling Frantisek Sponar oder Nummer 17 566, der niederländische Häftling Ernst Hoyer. Auf dem 3. internationalen Jugendtreffen der Evangelischen Jugend Oberfranken im ehemaligen Konzentrationslager Flossenbürg lernten einige Jugendliche Ernst Hoyer kennen. Er lebt. Er überlebte und er lebte weiter. |
Immerhin um die 20 Jugendliche und junge Erwachsene erschienen zur Gedenkfeier am Dienstag Abend auf dem Gelände der ehemaligen Spinnerei. Foto: Karl-Heinz Lammel |
Erinnerungen
Er erinnert sich an die Schrecken des Lagers, an Gewalt, Härte und Missachtung der Menschenwürde. Aber er hätte wahrscheinlich nicht die Kraft zum Überleben gehabt, wenn er direkt nach Flossenbürg oder in ein anderes KZ verlegt worden wäre. Sofern man überhaupt von Humanität sprechen kann, sei es in Bayreuth „wesentlich humaner zugegangen". Trotzdem, ohne einige Lichtblicke, wäre ein Überleben auch hier wahrscheinlich nicht möglich gewesen. Doch Ernst Hoyer erinnert sich an ein Weihnachtsfest russischer Mithäftlinge, die einen kleinen Baum organisiert hatten, den sie mit Aluminiumabfällen geschmückt hatten. Nie habe er jemanden so schön singen hören, meinte Hoyer. Auch eine Dose mit vier Sardinen vom Roten Kreuz, die sie an einem Ostersonntag zu acht genossen hatten, ist ihm in Erinnerung geblieben. Kleine Lichtblicke, die für uns selbstverständlich oder unvorstellbar sind. Und Grund genug sind, nicht zu vergessen, nicht zu verdrängen und nicht zu schweigen, so dass sich Derartiges nicht mehr wiederholen kann. Gründe, die zeigen, dass es Sinn macht, nicht nur alle fünf oder zehn Jahre zu gedenken.
Diese Seite wurde zuletzt
bearbeitet am
27. Dezember 2001
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