Quelle:
Artikel aus der „gaz“ (Grün Alternative Zeitung) Ausgabe Nr. 55, Dezember 2000
Im Internet zu finden unter: http://www.gal.bamberg.de/Zeitung/gaz-55/Zwangsarbeit.htm

Zwangsarbeit in Bamberg

„Zweckentsprechende, mit Stacheldraht versehene Umzäunung“

Auch wenn es bisher kaum öffentlich thematisiert wurde: Es gab in Bamberg Hunderte von Zwangsarbeitern und Zwangsarbeiterinnen. Wie anderswo waren viele davon in primitiven Lager-Baracken untergebracht, bekamen geringen Lohn, unterlagen einer Ausgangssperre, waren polizeilicher Willkür unterworfen, litten an Hunger, Krankheiten und starben jung. Sie mussten für Bamberger Betriebe arbeiten, aber auch für Teile der Stadtverwaltung wie das Garten- und Friedhofsamt, die Gaswerke oder im Krankenhaus. Die GAL-Fraktion hat deshalb im Stadtrat beantragt, dass sich die Stadt Bamberg zumindest mit einem symbolischen Beitrag am Entschädigungsfond des Bundes und der deutschen Wirtschaft beteiligt.

Im August 1944 waren 7.615.970 ausländische Arbeiter und Arbeiterinnen im großdeutschen Reich gemeldet. Das machte ein Viertel der gesamten Arbeitskräfte aus. Circa 5,7 Mio dieser Menschen waren sogenannte zivile „Fremdarbeiter", zumeist aus Polen (1,7 Mio) und der Sowjetunion (2,8 Mio), die mit mehr oder weniger Zwang nach Deutschland gekommen waren. Ihre Zwangslage lässt sich beschreiben durch Arbeitslosigkeit, schlechte Ernährungs- und Wohnsituation in der von der Wehrmacht besetzten Heimat, was viele in der Hoffnung auf ein besseres Leben „freiwillig" ins Siegerland trieb. Mit „Freiwilligkeit" nichts mehr zu tun hatten hingegen die brutalen Menschenjagd-Kommandos der SS, die aus Schulen und Gaststätten, von Äckern und Arbeitsstellen weg, massenweise die Leute aus den unterworfenen osteuropäischen Ländern in die Arbeitslager im Reich verschleppten. Viele davon waren nicht älter als 20 Jahre.

Zivilarbeiter und Kriegsgefangene

Mit der akribischen Genauigkeit der NS-Bürokratie registrierte das Einwohnermeldeamt im November 1941, dass 30 Polen und 36 Polinnen als „Zivilarbeiter/innen" in Bamberger Landwirtschafts- bzw. Industriebetrieben beschäftigt waren, außerdem 13 Ukrainer und 7 Ukrainerinnen. Dazu kamen noch mehr als 30 (vermutlich) Kriegsgefangene aus Frankreich, Belgien und den Niederlanden. Eigentlich waren die Ausländerpolizeibehörden der Städte laut Anweisung aus Berlin verpflichtet, sogenannte „Ausländerkarteien" anzulegen, auch bekam jeder Fremdarbeiter eine „Arbeitskarte" mit Lichtbild und Fingerabdruck ausgestellt, die er ständig bei sich tragen musste. Im Bamberger Stadtarchiv ist diese Kartei allerdings nicht überliefert, und auch sonst ist die Aktenlage nicht gerade üppig.

Für die Unterbringung der Zwangsarbeiter hatten deren Arbeitgeber zu sorgen. Die Ostarbeiter waren „in geschlossenen Lagern (Baracken) mit einer zweckentsprechenden, möglichst mit Stacheldraht versehenen Umzäunung unterzubringen." Das Lager durften sie nur zum Arbeitseinsatz verlassen, die gesamte Freizeit musste im Lager verbracht werden, wo es sowohl eine Krankenstube als auch eine Haftzelle gab.

Arbeitslager gab es auch in Bamberg, wie aus einer 1945 erstellten Liste hervorgeht. Dort sind die in Bamberg verstorbenen Ausländerinnen mit Beruf und Wohnort verzeichnet. Bei den Menschen, die unter die Rubrik „Ostarbeiterinnen" oder „Osthilfsarbeiter" fallen, tauchen als Unterkunftsbezeichnung unter anderem das Muna-Lager auf, außerdem Lager in der Annastraße, in der Hallstadter Straße 39, an der Weide 22 und 28 oder in der Gaustadter Spinnerei (ERBA). Auch Neugeborene und kleine Babys sind in dieser Todesliste zu finden: Mehrmals ist in der Spalte für die Berufsangabe nur „Mutter: Ostarbeiterin" vermerkt, als Todesursache wird „Lebensschwäche" angegeben, diese kleinen Kinder wurden gerade mal ein paar Wochen oder Monate alt.

1944 gab es ein Arbeitslager des Bahnbetriebswerks in der Schildstraße, das zu diesem Zeitpunkt bereits nicht mehr tragbar war, wie ein Brief der Reichsbahndirektion Nürnberg belegt: „Das Lager an der Schildstraße ist sehr beschränkt. Die Baracken sind zu eng beieinander. Die Abort- und Waschraumbaracken stehen zu nahe an den Wohnbaracken. Diese sind überbelegt. Die Trennung der im Schichtendienst eingesetzten Leute ist nicht möglich. Splitterschutzgräben können nicht angelegt werden." Der Bamberger l Oberbürgermeister möge die Beschlagnahmung eines Ausweichgrundstückes unterstützen.

„Interessengemeinschaft Bamberger Arbeitslager"

Nicht wenige Bamberger Unternehmen müssen Zwangsarbeiterinnen beschäftigt haben. Diese Vermutung legt zumindest der Umstand nahe, dass die Arbeitgeber eigens eine „Interessengemeinschaft Bamberger Arbeitslager", kurz IBA, gründeten. Im Dezember 1942 wandte sich ein Betriebsführer der Firma Wieland als Mitglied der IBA an den OB mit dem Anliegen, ein Lager für circa 200 Ostarbeiter an der Memmelsdorfer Straße einrichten zu dürfen. Er klagte, dass 158 von Wieland beschäftigte Ostarbeiter derzeit in Bischberg untergebracht seien. Dadurch müsse er hohe Kosten für ihre tägliche Anfahrt in die Brennerstraße aufbringen, und auch das Mittagessen müsse eigens aus dem Lager in den Betrieb geschafft werden, all das bei der sich verschärfenden Treibstoffsituation. Ein Jahr später bat die IBA Oberbürgermeister Zahneisen um die Beschlagnahmung eines Grundstücks an der Zollner-Straße, nachdem direkte Verhandlungen mit dem Besitzer gescheitert waren. Die Baracken für das Lager, so der IBA-Vertreter in dem Schreiben, seien bereits in Berlin bestellt und würden demnächst geliefert. Zwei Wochen darauf sprach der OB die Beschlagnahmung aus. Im November 1943 beantragte das „Sozial-Gewerk Bamberger Handwerker" in Bayreuth die Zuweisung von Baracken für 100 Fremdarbeiter und bat das NS-Stadtoberhaupt um Unterstützung. Tatsächlich bestätigte Zahneisen die „Dringlichkeit" eines solchen Lagers. Für die „Lebensführung" der ausländischen Arbeitskräfte legte das NS-Regime akribisch genaue Maßregelungen fest. Dabei hatten die Menschen aus Polen die schlechteste Behandlung und die meisten Diskriminierungen zu ertragen. Sie durften öffentliche Verkehrsmittel, Fahrräder und Telefone nicht benutzen, durften kirchliche, kulturelle und sportliche Einrichtungen nicht besuchen, „näherer Umgang" mit Deutschen war ihnen verboten, auf sexuelle Beziehungen zu deutschen Frauen stand sogar die Todesstrafe.

Auf eine deutliche Distanz zwischen Deutschen und „Fremdvölkischen" legten die NS-Ideologen besonderen Wert, so in einem Rundschreiben des Reichsführers SS vom Februar 1942: „Es ist daher erforderlich, den deutschen Arbeiter in seiner Stellung so hervorzuheben, dass er trotz seiner Mitarbeit als Vorgesetzter und Aufsichtsperson in Erscheinung tritt und bei ihm ein Solidaritätsgefühl mit diesen Arbeitskräften möglichst nicht entstehen kann." Abgrenzung sollte auch durch Stigmatisierung geschaffen werden: Fremdarbeiterinnen aus Polen mussten bereits seit 1940 ein großes „P" als Abzeichen an jedem Kleidungsstück tragen. So bestellte die städtische Ausländerpolizei am 14. Mai 1940 250 Abzeichen für „polnische Zivilgefangene". Ab 1942 wurden dann die „Ost"-Kennzeichen eingeführt. Sie waren bei einer Berliner Fahnenfabrik zu beziehen und sollten gegen eine Gebühr von 10 RM ä 5 Stück an die Arbeiterinnen weitergegeben werden.

Anweisungen zum „Ostarbeitereinsatz:"

In den Jahren 1941 bis 1943 gab es eine Fülle von Erlassen, Rundschreiben und Bestimmungen zum „Ostarbeitereinsatz", die von der Berliner SS-Führung und Gestapo-Zentrale bei den lokalen Verwaltungen eingingen. Hier wurden sie dann zum einen über die Ausländerpolizei an die betreffenden Betriebe, zum anderen aber auch direkt an diejenigen städtischen Einrichtungen weitergeleitet, die damals Zwangsarbeiterinnen beschäftigten. In Bamberg gingen Ostarbeiter-Anweisungen in der Regel an die Krankenhausverwaltung, die Stadtwerke, die Garten- und Friedhofsverwaltung, das Tiefbauamt, die Kraftfahrzeugverwaltung, die Schlacht- und Viehhof-Direktion, den Hafen- und Lagerhausbetrieb. Es ist deshalb anzunehmen, dass in all diesen städtischen Einrichtungen zumindest zeitweise Zwangsarbeiterinnen eingesetzt waren.

Für die Berechnung der Löhne gab es exakte Tabellen aus Berlin. Ein Lohnbeispiel aus der Stadthauptkasse berechnete im Vergleich zu einem deutschen Arbeiter, der 28,80 RM in einer 48-Stunden-Woche verdiente, einen Lohn von 17,85 RM für einen Ostarbeiter; für Verpflegung und Unterkunft wurden diesem noch 10,50 RM abgezogen, auch Sachleistungen wie Arbeitskleidung und -schuhe bekam er nur gegen Entgelt gestellt.

 

Ostarbeiterinnen in St. Getreu

Für die „wirtschaftlichen Hilfskräfte" in der Nervenklinik St. Getreu - es waren junge Frauen - gab es einen deutlich geringeren Wochenlohn, wie eine Notiz des Oberbürgermeisters vom August 1942 festhält: Ostarbeiterinnen über 18 Jahre erhielten als Wochenlohn 2,80 bis 4,90 RM, junge Mädchen zwischen 16 und 18 bekamen 2,45 bis 4,55 RM und jüngere als 16 Jahren nur 1,40 bis 3,30 RM. Die „Ostarbeiterabgabe", die in der Regel vom Arbeitgeber an den Staat abzuführen war, betrug in diesen Fällen zwischen 1,05 und 0,70 RM.

Es gab aber auch Prämien für Ostarbeiter, die längere Zeit zufriedenstellend in einem Betrieb beschäftigt waren. So beantragten im September 1942 die Gaswerke bei der städtischen Lohnstelle die „Beförderung" eines Ostarbeiters von Lohnklasse C nach Lohnklasse B, weil dieser nun als „Zweiter am Ofen" arbeite. Aus der wenn auch spärlich erhaltenen Korrespondenz der Gaswerke mit der Stadtkasse lässt sich entnehmen, dass beispielsweise im Juni 1942 zwölf Ukrainer eingestellt wurden. Davon waren sechs unter zwanzig Jahre alt. Alle, so geht aus den Akten hervor, wurden „im Werk untergebracht".

Aber nicht nur ausländische „Fremdarbeiter" kamen in städtischen Betrieben zum Arbeitseinsatz, seit 1940 verpflichtete man auch jüdische ortsansässige Bamberger zum Dienst. Das städtische Tiefbauamt meldete beispielsweise im Mai 1940 die Beschäftigung von „26 Juden".

 

Alle Zitate aus Akten des Stadtarchivs Bamberg. Dank an Stadtarchiv für die Unterstützung bei den Recherchen.

Sylvia Schaible

 

 

Ab 1942 gab es für Ostarbeiterinnen ein besonderes Kennzeichen:

„Das Kennzeichen besteht aus einem hochstehenden Rechteck von 70 mm x 77 mm und zeigt bei 10 mm breiter blau-weißer Umrandung auf blauem Gründe in weißer Schrift das Kennwort Ost'."

 

OB behindert Recherchen

Das Thema „Zwangsarbeit in Bamberg" soll nach dem Willen von Oberbürgermeister Herbert Lauer offenbar nicht in die öffentliche Diskussion kommen. Warum sonst hätte er einen Antrag der GAL auf Einsichtnahme in Akten des Stadtarchivs ablehnen sollen? Der Antrag war deshalb nötig geworden, weil einige der einschlägigen Akten personenbezogene Daten enthalten, die unter Sperrfristen des Archivschutzgesetzes fallen. Eine Verkürzung dieser Sperrfristen kann genehmigt werden - entscheidungsbefugt ist der OB.

Um dem Archivschutzgesetz zu genügen, sicherte die GAL zu, keine personenbezogenen Daten zu veröffentlichen. Es ginge uns, so begründeten wir unser Anliegen, ganz allgemein um eine Diskussion darüber, ob die Stadt Bamberg, die vom Arbeitseinsatz dieser Menschen profitiert hat, einen symbolischen Beitrag zum Entschädigungsfond leisten soll. Außerdem wollten wir durch einen gaz-Artikel das Thema in die Bamberger Öffentlichkeit bringen.

Trotzdem verwehrte OB Lauer den Zugang zu den Akten. Sein Standpunkt: Eine Beteiligung von Kommunen an dem Fond sei nicht vorgesehen - also müsse es auch keine Diskussion darüber geben - also müsse auch nicht die GAL das Schicksal von ZwangsarbeiterInnen in Bamberg recherchieren. So einfach kappt man unliebsame Themen und würgt unbequeme Debatten ab - meint der OB. Aber nicht mit der GAL

 

Diese Seite wurde zuletzt bearbeitet am
03. Januar 2001


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