Quelle: Fränkischer Tag Bamberg, vom 28.12.2000

Den Holocaust überlebt

78-jähriger Zeitzeuge Otto Schwerdt berichtete Fachoberschülern

Tief betroffen waren zahlreiche Schüler der Fachoberschule nach ihrem ersten Kontakt mit einem Überlebenden des Holocaust. Drei Tage vor Heiligabend las der Regensburger Zeitzeuge Otto Schwerdt aus seinem Buch "Als Gott und die Welt schliefen" und stellte sich den Fragen interessierter Schüler, die Geschichtsunterricht einmal anders erlebten.

Neben dem historischen Aussagewert als historische Quelle fanden die durchwegs volljährigen Schüler die eindrucksvolle Darstellungskraft sowie die niedergeschriebene Erfahrung, wie ein Mensch in der extremen Situation als KZ- Häftling von Auschwitz-Birkenau einen Weg findet, sich selbst zu behaupten, besonders beeindruckend.

Bereitwillig zeigte Schwerdt seine Häftlingsnummer am Unterarm denen, die sie sehen wollten. Überrascht waren die Schüler auch von seiner fairen Haltung gegenüber den Deutschen, die weit entfernt ist von pauschaler Verurteilung.

Schwerdt, dessen Mutter, Schwester und Bruder von den Nationalsozialisten ermordet wurden, gestand sehr offen, dass er bis heute vieles nicht verarbeitet habe und ihn die Erinnerungen in Träumen und bei Lesungen heimsuchten. Dennoch sei er kein Verfechter der Kollektivschuld. Er wisse sehr wohl, dass die heutige Generation für die schrecklichen Geschehnisse von damals nicht verantwortlich gemacht werden könne. Ein Zusammenleben zwischen Deutschen und Juden heute sei möglich; ja, es sei wichtig geworden, um eine bessere Zukunft und eine humanere Gesellschaft anzubahnen.

Das heute 78-jährige Mitglied des Vorstandes der Jüdischen Gemeinde in Regensburg begann vor einigen Jahren, seine Leidensgeschichte zusammen mit seiner Tochter Mascha aufzuarbeiten. Die große Resonanz auf sein Buch, in dem Schrecken und Entsetzen, aber auch menschliche Willensstärke und Tapferkeit gegenwärtig sind, brachte ihm zahlreiche Einladungen in bayerische Schulen, um bei jungen Leuten die Erinnerung wach zu halten, sie aufzuklären und sie damit auch ein Stück weit immun gegen demagogische und rassistische Parolen zu machen.

Otto Schwerdt wurde 1923 in Braunschweig geboren. 1936 floh er mit seiner Familie nach Polen, um sich, allerdings vergeblich, den NS-Schikanen zu entziehen. Nach dem deutschen Überfall auf Polen lebte er in seinem Aufenthaltsort Dombrowa im Ghetto. Von dort wurde er 1943 mit seiner Familie nach Auschwitz-Birkenau deportiert. In den ersten Mai-Tagen Jahres 1945 wurde er mit seinem Vater in Theresienstadt von den Russen befreit. In Regensburg holte er sein Abitur nach und ging 1948 nach Israel. Während des Unabhängigkeitskrieges diente er in der israelischen Armee. Er kehrte nach Deutschland zurück, als sein Vater in Regensburg an Krebs erkrankte, und baute sich dort eine Existenz auf.

Schwerdt ist der Meinung, dass Nachkriegsgenerationen nicht das Recht haben, über das Verhalten der Menschen im Nationalsozialismus zu urteilen. Sie hätten jedoch die Pflicht, sich mit den Vorkommnissen auseinanderzusetzen. Deswegen stellt er sich mit seiner Leidensgeschichte der deutschen Jugend zur Verfügung, wenn sie ihn als Zeitzeugen befragen will.

 

Diese Seite wurde zuletzt bearbeitet am
01. Januar 2001


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