Quelle: Nordbayerischer Kurier Bayreuth, vom 28.11.2001

„Das Verbrechen geschah mitten in unserem Land"

Gedenkstunde am 60. Jahrestag der Deportation Bayreuther Juden: Oberbürgermeister Mronz mahnt zur Wachsamkeit

BAYREUTH

Mit einer bewegenden Gedenkstunde auf dem jüdischen Friedhof haben Vertreter der Stadt sowie der Israelitischen Kultusgemeinde gestern an den 60. Jahrestag der Deportation der Bayreuther Juden erin­nert. Oberbürgermeister Dr. Dieter Mronz rief dazu auf, die Trauer mit Wachsamkeit zu verbinden.

 

Vor 60 Jahren wurden die ersten jüdischen Bayreuther deportiert. Rabbiner David Goldberg (Mitte) sprach bei der Gedenk­feier im Friedhof der Israelitischen Kultusgemeinde Psalmen sowie den Kaddisch, das jüdische Totengebet. Links Felix Gothart, Vorsitzender der Gemeinde, sowie Oberbürgermeister Dr. Dieter Mronz. 

Foto: Ritter

 

 

Als Adolf Hitler die Macht in Deutschland übernahm, lebten rund 260 Juden in Bayreuth. Im November 1938 waren es nur noch rund 120, drei Jahre später 78. Mehr als die Hälfte von ihnen wurden am 27. November 1941 von Gestapo und SS über Nürnberg in das Ghetto Jungfernhof bei Riga/Lettland verschleppt. Eine zweite Deportationswelle folgte im Januar 1942. Die meisten der jüdischen Bayreuther wurden später in einem Wald bei Riga erschossen. Nach derzeitigem Kenntnisstand sind 136 jüdische Bayreuther dem NS-Terror zum Opfer gefallen. Sie wurden ermordet, starben im KZ oder nahmen sich das Leben. Die Toten gehören zu den Millionen Opfern, die der rassistische Wahn und das unmenschliche NS-Regime forderten.

Der Zeremonie auf dem Friedhof an der Nürnberger Straße wohnten neben Bayreuthern jüdischen und christlichen Glaubens viele Vertreter des öffentlichen Lebens bei, unter ihnen auch der Leiter der Bayreuther Festspiele, Wolfgang Wagner. Zu Beginn sprach der erste Vorsitzende der Israelitischen Kultusgemeinde, Felix Gothart. „Wir sind fassungslos angesichts der Untaten, die im Namen des deutschen Volkes an jüdischen Menschen begangen wurden." Auch viele Bayreuther hätten dem Leid und der Entrechtung tatenlos zugesehen.

Er erinnerte an die blühende Epoche des Zusammenlebens, die durch den Nationalsozialismus zerstört wor­den sei. „Jene Menschen, die das kulturelle Erbe Bayreuths bereichert hatten, starben schließlich qualvoll und fern ihrer geliebten Heimat." Mronz hob hervor, die Gedenkstunde sei „den drangsalierten, verschleppten und ermordeten Menschen" gewidmet. Auf behördlichen Erfassungskarten aus der NS-Zeit finde sich in Bayreuth häufig der Hinweis: „Abgemeldet nach Riga". Hinter den bürokratischen Vermerken stehe indes das „größte Verbrechen der Menschheitsgeschichte". Dieses Verbrechen, so Mronz weiter, „geschah nicht etwa in einer weit zurückliegenden Zeit, sondern vor erst 60 Jahren mitten in unserem Land". Die Opfer seien keineswegs namenlos, stellvertretend für die ermordeten jüdischen Bayreuther nannte der Oberbürgermeister die Familien Herzstein, früher wohnhaft in der Friedrich-von-Schiller-Straße 5, und Wannbacher, Erlanger Straße 22. Mronz rief dazu auf, die Trauer um die Toten mit Wachsamkeit zu verknüpfen. Es gelte, sich auch im Alltag gegen Intoleranz und Menschenverachtung einsetzen. „Für jeden anständigen Deutschen ist das die erste Bürgerpflicht." Er hob ferner das Wirken der Geschichtswerkstatt Bayreuth hervor, die durch ihre Publikationen einen wesentlichen Beitrag zur Erhellung der Umstände geleistet habe, unter denen jüdische Bayreuther deportiert worden sind. Die Bevölkerung rief er auf, sich im Neuen Rathaus in ein Kondolenzbuch einzutragen.

Mit Tränen in den Augen

Vielen Teilnehmern der Gedenkstunde standen Tränen in den Augen, als Rabbiner David Goldberg aus Hofeinen Psalm sowie den Kaddisch, das jüdische Totengebet, sprach. Er verlas ferner die Namen der Ermordeten aus Bayreuth. Zum Schluss der Gedenkstunde legten Gothart und Mronz vor dem Mahnmal auf dem Friedhof einen Kranz der Stadt Bayreuth nieder.

buc

Diese Seite wurde zuletzt bearbeitet am
27. Dezember 2001


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