Quelle:  Fränkischer Tag, 14.7.2005, Seite S9           

            Mit freundlicher Unterstützung von Rudolf DANIEL

 

Die Spuren sind noch überall

Historikerin gab Einblick in jüdisches Kulturleben in Reckendorf

RECKENDORF. Das einstige Leben der jüdischen Gemeinde in Reckendorf stand im Mittelpunkt einer Veranstaltung des Colloquium Historicum Wirsbergense.

Kunsthistorikerin Adelheid Waschka aus Hallstadt, die derzeit mit der Erstellung der Ortschronik betraut ist, erinnerte die knapp 90 Teilnehmer daran, dass die Anzahl der jüdischen Bürger im Jahre 1809 mit 297 Juden innerhalb Oberfrankens gleich nach Bayreuth (461) – noch vor Altenkunstadt (285), Burgkunstadt (283) und Bamberg (282) – statistisch an zweiter Stelle lag.

Überraschend für die Zuhörer war die Tatsache, dass in Reckendorf noch alle Spuren des jüdischen Kulturlebens in ihrer Substanz erhalten geblieben sind. Bereits vor 500 Jahren kann man von einem jüdischen Kaufmann in den Quellen lesen. Die eigentliche Blüte ist jedoch in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts zu sehen, als die damals hier ansässige freie reichsritterschaftliche Familie nach der Bevölkerungsdezimierung des 30-jährigen Krieges versuchte, jüdische (reichsunmittelbare) Bürger für sich zu gewinnen und auf ihrem Grund und Boden anzusiedeln. Daneben unterstütze aber auch das Hochstift Bamberg durch Verteilung von Privilegien auf ihrem hiesigen Territorium die Sesshaftwerdung einer jüdischen (mittelbaren) Gemeinde.

Das älteste Zeugnis der Religionsgemeinschaft stellte die ehemalige Synagoge dar, ein 1727/32 errichtetes Barockgebäude, welches seit jüngster Zeit der Bevölkerung von Reckendorf als „Haus der Kultur“ zugängig gemacht wurde. Dem Mut und der Hartnäckigkeit der Nachbarn war es zu verdanken, dass das Bauwerk am Morgen des 10. Novembers 1938 von den Nationalsozialisten nicht zerstört wurde. Nach dem Verkauf von Seiten des letzten jüdischen Kultusvorstehers diente es als Fabrik- und Lagerstätte, bevor es nun eine neue Nutzung erhielt.

Weiterhin bezeugte das örtliche Armenhaus, im Jahre 1843 als Doppelhaus halb für die christliche als auch für die jüdische Gemeinde errichtet, die Mikwe als rituelles Tauchbad (1821), die Judenschule von 1836 und zwei jüdische Schlachthäuser die im Zuge der Säkularisation von Seiten der Kurbayerischen Regierung initiierte Neuregulierung einer jüdischen Kultusgemeinde.

Auch der Reckendorfer Kindergarten ging auf die Stiftung eines Judens [sic] zurück. Vor 100 Jahren wurde von dem ehemaligen Bürger, Emanuel Walter aus New York, die sogenannte Nathan-und-Rosa-Waltersche-Kinderheimstiftung ins Leben gerufen, welche allen Kindern seines Geburtsortes – gleich welcher Religion – untertags ein zuhause bieten sollte. Während des Rundgangs konnten sich die Geschichtsinteressierten in den Räumlichkeiten der Frauenloge innerhalb der ehemaligen Synagoge anhand einer kleinen Jubiläums-Ausstellung einen Überblick über die Historie dieser Institution verschaffen.

Weitere Häuser in den Straßenzeilen erinnerten an junge Männer, die in Bamberg oder San Francisco als Gründer einflussreicher Bankhäuser (Hellmann- oder Wells-Fargo Bank) bekannt wurden. Auch das Stadtmuseum von San Francisco wurde einst von dem Reckendorfer Wolf (William) Haas, einem in den Vereinigten Staaten erfolgreichen Geschäftsmann erbaut.

Fast alle Teilnehmer machten sich nach der zweistündigen Führung noch auf den Weg zum (Ende des 18. Jahrhunderts angelegten) Judenfriedhof außerhalb des Ortes.

 

 

 

 

Diese Seite wurde zuletzt bearbeitet am
16. Juli 2005


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